Gegen Ende des
Aufenthalts im Kolleg St. Blasien sozusagen in den letzten Wochen,
bevor der Abschied
anstand, wollten zwei Kollegianer (Christoph
Gurlitt und ich – Rupert Metzger) noch einige Geheimnisse lüften
bevor sie die gastliche Stätte verließen.
Über der Eingangspforte des Kollegs befindet sich eine große Uhr,
die von einem großen mechanischen Uhrwerk angetrieben wird. Dies
wollten wir genauer erkunden und begaben uns auf die Suche. Verschlossene
Türen waren für uns Abiturienten kein großes Hindernis
und so gelangten wir in den Raum hinter dem Zifferblatt und der großen
Mechanik. Zum einen gibt’s es da das Gangwerk, das die Zeiger der
Uhr antreibt und dann das Läutwerk, das akustisch die Uhrzeit kundtut.
Beide Werke werden jeweils über ein Gewicht angetrieben. Wenn diese
Gewichte abgelaufen sind, gibt es eine Mechanik, die die Gewichte wieder
hochzieht. Zu welchen Zeitpunkten das stattfindet kann ich heute nicht
mehr sagen.
Natürlich haben wir dieses Ganze bewundert und dann kam uns eine
Idee. Wir wollten die Stätte an der wir uns Jahre aufgehalten hatten
nicht ohne einen „Knalleffekt“ verlassen zumal sich auch
einiger Groll über manche Begebenheiten der Vergangenheit aufgestaut
hatte. Es gab auch Geschichten über vergangene Abi Scherze und somit
die Verpflichtung, eine Tradition aufrecht zu erhalten.
Kurz und gut ein Plan entstand. Wir wollten zu gegebener vorprogrammierter
Zeit das Läutwerk so lange es ging läuten lassen.
Ein
genaues Studium der Mechanik ließ uns den Ablauf der Läutprozesses
verstehen. Nach Auslösung durch das Gehwerk wurde eine Hemmung (ein
Haken an einem Zahnrad) angehoben und dadurch eine Bewegung ausgelöst,
die einen Hammer auf eine Glocke schlagen ließ. Anschließend
rastete der Haken wieder in das Zahnrad ein und das Läutwerk war
gestoppt.
Unsere Aufgabe war nun, dieses Einrasten zu verhindern und damit dem
Läuten einen Dauercharakter zu verleihen.
Des Weiteren gibt es auch Viertelstundenschläge, die über eine
Scheibe mit Aussparungen ausgelöst werden.
Eine weitere Aufgabe war, den Zeitpunkt des außerplanmäßigen
Läutens festzulegen. Dazu brachten wir am Gewicht des Gehwerks eine
Schnur an und stoppten den Weg, den das Gehgewicht in einer Stunde zurücklegt.
Damit hatten wir ein Maß, das uns die Startzeit programmieren ließ.
Wir wollten, dass dieses Spektakel sich am Abend der Abiturfeier ereignet – möglichst
während einer langweiligen Rede. Dazu haben wir am Nachmittag die
Uhr präpariert. D.h. am Gewicht des Gehwerks wurde eine Schnur befestigt,
die, wenn sie sich spannte, das Läutwerk auslöste. Die Länge
hatten wir durch den Vorversuch bestimmt. Das Läutwerk wurde so
manipuliert, dass es nicht mehr aufhören konnte:
Die Haken wurden angehoben und mit Paketband befestigt. Die Aussparungen
bei der Viertelstundenscheibe mit Pappe ausgefüllt und festgeklebt.
Jetzt war die Maschinerie scharf gestellt.
Dass zwischenzeitlich der Viertelstundenschlag etc. ausfiel, war zu verschmerzen.
Das Läutwerk wurde ohnehin fast nicht wahrgenommen und so fiel der „Defekt“ nicht
auf.
Es wäre also perfekt gewesen, wenn nicht…
Wir hatten nicht eingeplant, und das wäre auch nicht reparabel gewesen,
dass die Lautstärke des Läutwerks im Haus nicht allzu groß war
und im Lärm des Festes komplett unterging. Wir warteten dauernd
auf den Dauerglockenschlag.
Später haben wir dann nachgesehen und festgestellt, dass das Dauerläuten
tatsächlich stattfand, nur nicht hörbar für das ausgewählte
Publikum. Vielleicht haben einige Anwohner etwas gehört.
Uns blieb dann am nächsten Tag nur übrig, die Veränderungen
wieder rückgängig zu machen.
Nachzutragen wäre hier noch, dass wir beide nach dem Abitur das
Studium der Physik aufnahmen.
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